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Und wenn i mol was singa soll und singa soll nix waaß … – Ein Streiflicht durch die Vielfalt der Kärwalieder

Jenseits des eigentlichen sakralen Hintergrundes der Kirchweih, der sich jährlich wiederholenden Weihe der Kirche in der Gemeinde gibt es natürlich die weitaus bekanntere heilige Vereinigung der Ortsburschen. Ein Zusammenschluss der jungen Gemeindemitglieder, die in den Tagen der Kärwa ihre Manneskraft unter Beweis stellen können. Dafür gibt es in der kurzen Zeit mehr als genügend Möglichkeiten: Betzntanz, Küchlezamspilln, Baumholen, Baumaufstelln, etc. All diese archaischen Aktivitäten haben eine Gemeinsamkeit: Sie werden untermalt von den Kärwaliedle. Ursprung und Entwicklung sind mir persönlich nicht bekannt, es wird hier lediglich ein Versuch der Einteilung unternommen. Leider können hier nicht alle Kategorien berücksichtigt werden. Nur die wichtigsten sollen hier ihren Platz finden.

Fädder Kärwa von Claudia Rauch
Gemälde von Claudia Rauch

„Heit is unser, heit is unser, heit is unser Kärwa – Wenn mer a ka Geld mer ham, mach mer doch an Lärma!“

Die Kategorie der „Stimmungslieder“. Sie dienen einerseits – wie schon der Name sagt – der Anhebung des fränkisch frotze­ligen Frohsinns. Meist werden sie zu Beginn einer jeden Kärwatradition gesungen. Andererseits haben sie auch den Zweck, auf sich aufmerksam zu machen. Wie sonst sollte man beim Küchlezamspilln die Herrschaften aus ihren Häusern locken.

„Meiers Gla, Meiers Gla, bist a rechter Niegel – Hast a rechts groß Husertürla und an klanna Priegl!“

Beim so genannten „Aussinga“ kommen meist genitalreverentielle Inhalte zum Ausdruck. Es geht häufig darum, wie klein die äußeren Geschlechtsmerkmale seines Gegenübers sind, was wohl im direkten Zusammenhang mit dessen mangelnder Manneskraft zusammenhängen soll. Darüber hinaus wird auch häufig die Inkompetenz des Gegners herausgestellt.
Ein Beispiel hierfür

„Du mit deiner großen Nos’n, du willst die Tromped’n bloß’n. Die Tromped’n geht net los, weil die Nos’n is zu groß.“

Aus dem hier angeführten Lied geht eindeutig zweierlei hervor: Der Besungene hat nicht nur unpassende Gesichtsproportionen, sondern besitzt er darüber hinaus auch dadurch keinerlei Kompetenz, ein Blasinstrument zu spielen.

„Mei Vadder is Bäcker und Bäcker bin i – mei Vadder baggd Semmeln, die Weiber bagg i!“

Diese Art der Unterhaltungs­stücke schweben in einem Grenzbereich zwischen Stimmungsmacher und der Zurschaustellung der eigenen Manneskraft. Vermutlich existieren diese Lieder zu „Werbezwecken“ beim anderen Geschlecht – oder dem Geschlecht das man halt mag. Ob diese jemals fruchteten oder heute noch fruchten, ist nicht bekannt, doch es gibt sie für eine breite Masse an Berufsgruppen. So auch für die Zunft der Metzger, Schreiner, Dach­decker und viele mehr.

„Gell Madla, host mi gern … zamgstauchter Holzlatern – Oh du alt´s Odelfoß, dir scheiß i wos!“

Wie so oft gibt es auch immer ein Gegenstück. Im Gegensatz zu den „Werbungsliedern“ existiert eine nicht geringe Zahl an Texten, die darauf abzielen, Frauen abzuschrecken, die man persönlich unattraktiv findet. Die Zeiten der Gleichberechtigung haben – leider – noch keinen Einzug in die Kärwaslieder gehalten. Es finden sich bis heute keine Zeilen, die sich gegen die Attraktivität der Männer richtet.
Hier gibt es dringenden Nachholbedarf.

„Ich wünscht, ich wär im Himmel drob´n und müsserd einmal scheiß´n – I hupferd auf die Wolgn rum und scheißert auf die Preiß´n!“

Es gibt sie: die wenigen, aber umso einprägsameren politisch motivierten Lieder. Das obige ordinäre Beispiel mag für Fachfremde beinahe rassistisch klingen. Der Kenner weiß aber um die freundschaftliche Rivalität zwischen Nord- und Süddeutschland. Man darf also beruhigt solch Liedgut beibehalten.

Kärwaherz von Claudia Rauch
Gemälde von Claudia Rauch

Manchmal werden auch bau­liche Mängel und Missstände in der Stadt angeprangert:

„Des is der Fehler von der Gma! Der Kirchturm is so riesen, riesengroß und des Wirtshaus is so gla!“

Schlussendlich haben alle Lieder etwas gemeinsam: Sie dienen der Unterhaltung. Das wird erreicht über anstößige Inhalte und eine derbe Sprache. Nur selten sind sie jugendfrei. Aber vielleicht sind die Lieder wie ihre fränkischen Sänger: kurz gebunden, ehrlich und direkt. Und wenn der Ortsbursche mal gar nicht weiß, was er singen soll, dann singt er

„…häbbel, bäbbel, Gaß“

Die Geschichte von Sebastian könnt ihr auch hören

Wenn I mol was singa soll und singa soll nix was

von Kärwazeitung e.V. | Staffel 1

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