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Warum Fürth nicht blaurot ist

von Ewald Arenz

Superman

Als Supermann nach Fürth versetzt wurde, stand – oder besser schwebte er – fassungslos einigen Herren gegenüber und vor einem völlig neuartigen Problem. Noch nie hatte ihn jemand zur Begrüßung gebeten, ihn hinauf zu hauen. Vielleicht lag es auch an dem Schnellkurs im hiesigen Dialekt, bei dem etwas schief gelaufen war. Soviel er jetzt verstand, bot ihm einer der drei Menschen vor ihm ein Brett an. Supermann war sich nicht ganz im Klaren darüber, ob das Wort Brett hier vielleicht auch für Billigbier stand, denn alle drei jungen Männer vor ihm hatten  eine Dose davon in der Hand. Als ihn der dritte schließlich fragte, ob er fegen wolle, aber nicht einmal andeutungsweise sagte, welche Fläche denn zu kehren sei, flog Supermann zunächst einmal frustriert wieder fort. Er ließ sich wie eine zu groß geratene, blaurote Taube auf dem Kriegerdenkmal der Konrad Adenauer-Anlage nieder und versuchte, zu meditieren.

„Vochl oddä Fliecher?“ fragte einer der Sandler verblüfft.
„Woscht!“ sagte der zweite, warf seine leere Dose ins Gebüsch und wankte gen Lidl.
„I wass ja ah ned, was i ned wass,“ philosophierte der dritte.
Supermann war im Bewußtsein dieser Herren bereits wieder im Ausgangskorb gelandet. Inzwischen hatte er seinen Versetzungsbescheid aus der Innentasche des Capes gezogen und vergewisserte sich dann noch einmal anhand einer Karte, daß es kein zweites Fürth in Bayern gab. Also gut, dachte er aufseufzend, dann sollte ich mich wohl mal umziehen. Eine Minute später stand er im Eingang der Redaktion der Fürther Nachrichten. Tränen der Wehmut schossen ihm in die Augen, als er vor seinem inneren Auge den glitzernden Zeitungspalast seiner Heimatstadt mit den engen Räumen verglich, in denen hier gearbeitet wurde. Keine Zigarren, keine aufgerollten Hemdsärmel, keine Büroboten und nicht einmal ein Wasserspender. Supermann war nun deutlich verunsichert.
„Hallo?“ sagte er halb fragend in das Büro des Chefs hinein, „ich bin der Neue. Gebt mir eine Aufgabe.“
„Leg ein Ei!“ sagte der leitende Redakteur. Er versuchte eben einem Abonnenten zu erklären, wieso der 53. Geburtstag seiner Frau keinen halbseitigen Artikel im Sportteil wert war, ohne zu Supermann aufzusehen. Dann hielt er den Hörer vom Ohr weg, aus dem es wild herausquäkte,  und registrierte ihn:
„Ach, der amerikanische Kollege,“ sagte er schließlich trocken, „hoffentlich können Sie im Stehen schreiben, Herr Kent.“
Zwei Tage später hatte er seinen ersten Kulturtermin. Eine Ausstellungseröffnung im City-Center. (Supermann hatte übrigens das erste Mal, als ihm klar wurde, daß die Fürther die architektonische Mißgeburt tatsächlich ‚City-Center‘ nannten und das auch meinten, einen zehnminütigen Lachkrampf gehabt, was ihm bei der Stadtführung, der er sich angeschlossen hatte, wenig Freunde zugetragen hatte.)
Die Vernissage allerdings lief wunderbar glatt. Nicht umsonst war Supermann seit fast fünfzig Jahren Reporter. Bis dann allerdings ein entschlossen aussehende Frau auf ihn zukam, sich vor ihm aufbaute und bellte:
„Müller oder Heißmann? Gschmarri oder Kunst? Boggnsagg oder Comödie?“
„Was?“ fragte Supermann völlig irritiert, „Lady, ich bin Amerikaner!“
„So!“ sagte die Dame und stemmte die Hände in die Hüften, „so!“ Sie sah ihn lange strafend an. „Und wie,“ fragte sie dann herrisch, „wollen Sie dann über Fürther Kultur schreiben? Sie sind ja völlig inkompetent!“
Wenn ich das gewußt hätte, knirschte Supermann still mit den Zähnen, als er später auf einem kleinen Laptop neben dem Faxgerät stehend seinen ersten Artikel tippte, niemals hätte ich mich von Lois Lane scheiden lassen, niemals. Kultur! Ha! Außer 11 Bäckereien in der Innenstadt haben die doch hier gar keine.
Schließlich geschah es dann doch. Nicht Clark Kent, sondern der blaurote Superheld vom Planeten Krypton war gefordert. Als er eines Morgens aufwachte, stellte er fest, daß die Stadt eingenommen worden war. Die Bösen hatten mit ihren Wagen die Hauptverkehrsstraße blockiert, überall krachten Schüsse; ein unbeschreiblicher kakophonischer Lärm toste durch die Straßen und Familien wurden rücksichtslos auseinander gerissen. Ein langer Zug von Flüchtlingen wälzte sich im Schneckentempo durch die Stadt. Normales Leben war nicht mehr möglich. Supermann verlor kostbare Zeit auf der Suche nach einer Telephonzelle, in der er sich umziehen konnte, verfluchte schließlich die Telekom und tat es in einer dunklen Gasse, der Schwabacher Straße. Dann begann er aufzuräumen: Mit seinem Superatem blies er die Straße frei, mit seinen Superkräften warf er die Bösen aus der Stadt, im Supertempo brachte er die Massen wieder heim. Stille kehrte ein. Supermann landete auf der Freiheit, wo ihn bereits eine Abordnung der Honoratioren der Stadt erwarteten. Ein leiser Stolz ließ ihn die Augen senken. Die Worte: „Wie blöd kann man eigentlich sein,“ ließen sie ihn jedoch wieder aufreißen. Die Bürgermeister, Stadträte und sogar sein Chefredakteur standen wutentbrannt vor ihm:
„Wir zählen bis zehn,“ sagte sie unisono, „und dann ist die Kärwa wieder aufgebaut. Ist das klar?“
„Klar,“ schluckte der völlig verblüffte Supermann. Dann machte er sich an die Arbeit. Und er hatte doch nur das Beste gewollt!
„Dädst du an Subbermann braung?“ fragte einer der Sandler ins Blaue.
„Gwiiß ned,“ antwortete der zweite nach einigem Nachdenken.
„Wo kauft ihr immer das Bier?“ fragte Supermann.
„I wass ja ah ned, was i ned wass,“ philosophierte der vierte.
Und so kam es, daß Fürth keine Weltstadt wurde. 
Nicht einmal einen Supermann haben wir. 
Nur einen Supersandler. 

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