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Tod beim Anstich

ein Krimi von Theobald O.J. Fuchs

Krimi Theoblad Fuchs

Hinterher wurde ja viel gelacht über die Vorstellung, dass ausgerechnet beim Anstich des ersten Fasses bei der Michaelis Kärwa einer beinah abgestochen worden wär. Aber wie es frisch passiert war, hat das die Stimmung schon ein wenig gedämpft, das ließ sich nicht leugnen. Das Bild, das in ganz Deutschland durch die Presse ging, war freilich auch recht grausig gewesen, wie der Erich da in seinem eigenen Blut lag, um ihn herum die kampferprobten Spezialisten für die erste Maß, und aus dem Rücken vom Erich ragte das Messer.

Besser gesagt, aus seiner alten Jeansjacke. Und ein richtiges Messer war es auch nicht, sondern so ein schmales Küchenmesserchen, womit man Zwiebeln oder Gelberüben schneidet, und das man gerade während der Kirchweih beim billigen Jakob oder an einem der vielen anderen Stände nachkaufen konnte, wenn das alte zu Hause abgebrochen oder verloren gegangen war. Wobei die wenigsten Messer auf diese Art unbrauchbar wurden, wie der Erna ihres, das im Rücken ihres Gatten steckend das Haus verließ und diesen bis zum Anstich auf den Platz vor dem Stadttheater begleitete.

Der Erich muss es tatsächlich nicht bemerkt haben, weil er bereits zu Hause einen schönen Seier im Gesicht hängen hatte. Aus lauter Freude nämlich, dass die Kärwa endlich losging, hatte er schon früh um acht das erste Grüner aufgerissen.

Genau betrachtet hatte in der Sache die Erna das größte Glück. Dass die Ärzte im Fürther Klinikum auf Zack sind und trotz Kärwa soweit nüchtern geblieben waren, dass sie den Erwin im Handumdrehen wieder zugenäht hatten. So dass der Erwin praktisch wieder wie neu war, was bei einem alten Zausel wie ihm halt bedeutet: im Zustand wie vor dem kleinen Streit mit seiner Frau. Der Streit, der dann irgendwie komplett aus dem Ruder gelaufen war, wegen dem Anstich, wo der Erich nicht hin hat sollen. Das hatte die Erna gefordert. Weil er dann wieder seine Kleider völlig ramponieren würde und er so besoffen wäre, dass er vom Taxi zum Hasenbergl nach München gefahren wird, weil er nicht mehr gescheit sprechen kann, wo er daheim ist.

Dass sich dann das Landgericht in Nürnberg mit der Sache hat beschäftigen müssen, war unvermeidlich, weil ja erst noch geklärt werden musste, ob es jetzt versuchter Totschlag war oder bloß schwere Körperverletzung. Dafür gab’s in Nürnberg eine Richterin, Frau Gnadenvoll, die die Tat, wie sie es ausdrückte, »ein Stück weit« nachvollziehen konnte. Sie brummte der Erna eine ordentliche Bewährungsstrafe auf und obendrein ein paar Hundert Sozialstunden. Allerdings mit der Auflage, dass sich daran der Erich beteiligt, wenn er schon jahrzehntelang keinen Finger im Haushalt krumm gemacht hatte.

Und siehe da! So lernten die beiden auf ihre alten Tage einen kleinen Buben aus Verhältnissen kennen, die beim Amt gerne »schwierig« genannt werden. Und weil sie ihn im Handumdrehen ins Herz schlossen, zog das Kind bald zu ihnen und im Jahr darauf setze der Erich den Kleinen ins Feuerwehrauto und in den Hubschrauber vom Karussell, das eine Runde nach der anderen drehte, anstatt dass er sich um eine Gratismaß aus der Hand vom Oberbürgermeister Jung prügelte, was sowieso schon lange eine Angelegenheit der viel jüngeren Burschen war.

Auf dem Heimweg gab es eine Bratwurstsemmel, und für ihn und die Erna noch zwei Bier, ehe der Bub ins Bett musste, und weil man in einer anständigen Küche kein gutes Schneidmesser zu viel haben konnte, kauften sie auf dem Weg noch eins beim billigen Jakob, aber gewiss nur zum Zwiebelschneiden, an was anderes war wirklich nicht mehr zu denken.

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