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Omas Gelddruckmaschine

Zeichnung: Frank Drechsler

Keine Kirchweih ohne Oma

von Theobald O. J. Fuchs

Die Kirchweih war in meiner Kindheit alle Jahre der Höhepunkt meiner persönlichen Finanzkrise. Zu keiner anderen Gelegenheit galt es, so viel Geld zu organisieren als während der vier Tage, in denen die Schausteller ihre Zelte auf dem Dorfplatz aufschlugen. Wofür ich nicht alles bezahlen wollte, jeden Preis, bis zum völligen Bankrott! Für die Schießbude, die Losbude, das Karussell, die Schiffschaukel, die Marzipankartoffeln und Rumkugeln, die Helium-Ballons, das Grusel­kabinett, den Hamster-Zirkus, den Zauberer und die Wahrsagerin.
Ohne unsere Oma hätten wir diesen fiskalischen Kraftakt nie stemmen können. Oma war nicht reich, das wussten wir, sonst hätte sie nicht im zweiten Stock in der Arbeitersiedlung gewohnt, wo man im Winter täglich das Heizöl mit einer Kanne aus dem Keller hinauf zum Ofen in der guten Stube tragen musste. Doch unsere Oma hatte ein Geheimnis, das ich bis heute niemandem verraten habe. Oma hatte unten im Keller neben dem Öltank eine Gelddruckmaschine stehen.
Wie Oma in den Besitz dieser wunderbaren Gerätschaft gekommen war, ist nicht überliefert. Nicht einmal unsere Eltern konnten das sagen. Sie hatten im Übrigen auch keinen Zutritt, was ich insgeheim begrüßte, denn Mama und Papa verdienten ja ihr eigenes Geld.
Immer wenn sich die nächste Kirchweih näherte, besuchten wir Oma und langweilten uns den ganzen Nachmittag, während sie und ihre zahllosen Schwestern sowie verschiedene Tanten ohne bestimmbaren familiären Zusammenhang Kaffee tranken und Kuchen aßen. Wir fummelten mit den Anzündern für den Ölofen herum und berichteten, wenn wir gefragt wurden, ob wir denn in der Schule auch schön lernten, von unseren Noten. Oft sogar der Wahrheit gemäß.
Erst wenn wir aufbrechen wollten und uns artig von Oma verabschiedeten, fiel ihr ein, dass ja in ein paar Tagen Kirchweih wäre, und dann sagte sie: »Wartet noch einen Moment, ich gehe kurz in den Keller und werfe die Gelddruckmaschine an.« Sie griff nach dem Kellerschlüssel und stieg die Treppe hinab, während wir neben dem Jesus und dem kleinen Weihwasserbecken im Flur stehen blieben und warteten.
Bis sie wieder die Treppe herauf kam, kam es uns so vor, als hätte es eine Ewigkeit gedauert, doch das Warten lohnte sich immer. Bei uns angekommen, zog Oma aus der Tasche ihrer Kittelschürze zwei nagelneue 20-Mark-Scheine – ein unerhörtes Vermögen!
Auf dem Weg nach Hause lasen wir den Warnhinweis, der auf jedem Schein stand: Wer Geldscheine nachmacht oder nachgemachte in Umlauf bringt, wird mit so und so viel Jahren Gefängnis bestraft.
Wir fragten uns natürlich, ob Oma wirklich Geld drucken durfte oder ob da nicht ein klein wenig Kriminalität im Spiel war. Aber wir lösten das Problem, indem wir einfach niemals jemandem davon erzählten. Sondern uns in geheimnisvolles Schweigen hüllten, wenn unsere Freunde fragten, wo wir wieder so viel Geld für Zuckerwatte und Autoscooter aufgetrieben hätten.
Das alles ist lange her, und wo die Gelddruckmaschine verblieben ist, kann ich beim besten Willen nicht sagen. Aber immer, ehe ich mich im Oktober zur Michaelis Kirchweih in Fürth aufmache, schaue ich vorher noch auf einen Sprung in den Keller …

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